Wenn Petry-Tweet auf Dumme trifft

Um diese Schlagzeile zu verstehen, muss ich etwas ausholen. „Etwas verstehen“ setzt Wissen voraus. Ich kann erst eine Sprache „verstehen“, wenn ich Vokabular und Grammatik kenne. Je besser diese Kenntnisse sind, desto besser kann ich die Sprache verstehen. Das gilt für alle Dinge des täglichen Lebens. Wer Dinge nicht versteht, muss glauben. Im Spruch „Glauben heißt nicht wissen“ liegt viel Wahres. Beispiel: Wer den Satz „… und sie dreht sich doch“ ohne den passenden Kontext zum ersten Mal hört, der kann damit überhaupt nichts anfangen. Auch der Hinweis, dass dies ein italienischer Philosoph, Mathematiker, Physiker und Astronom gesagt haben soll, hilft dem Unkundigen nicht weiter. Jetzt könnte ein Journalist berichten, dass der Galileo ein Rad ab hat und wirres Zeug erzählt, wie der Kardinal Robert Bellarmin schon 1616 festgestellt hat, aber ein anderer berichtet, dass der Legende nach Galilei diesen Satz beim Verlassen des Inquisitionsgerichts gemurmelt haben soll, nachdem er dem kopernikanischen Weltbild öffentlich abschwören musste. Wenn man dann noch weiß, was ein Inquisitionsgericht und ein Kopernikanisches Weltbild ist, dann bekommt diese Information – wie man heute sagen würde – einen anderen Spin. Jetzt weiß jeder, dass Galilei, um seinen Arsch zu retten, widerrufen hat, dass sich die Erde um die Sonne dreht, aber in seinem Innersten von der Wahrheit seiner Forschung überzeugt war.

Frauke Petry lässt einen Tweed los: „Schäubles Alptraum: die inzestuösen Isländer gleich im Viertelfinale“. Das ist wie einen Batzen Fleisch in das Wolfsrudel geworfen. Der Pawlowsche Reflex funktioniert: Petry – egal was sie schreibt, wird niedergemacht. Weshalb, warum – egal. Das ist Faschismus, der sich als Antifaschismus tarnt.

Warum kam das bei mir so anders an? Weil ich diese dumme Bemerkung von Schäuble im Interview mit der ZEIT gelesen habe. Wäre dieses Zitat als Preisfrage gestellt: Von wem stammt der folgende Satz:

Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe.

Ich wette, Adolf Hitler, mit seinem Volk ohne Raum, wäre als erster durch’s Ziel gelaufen.

Wer so einen dummen Satz vom Stapel lässt, den müsste (ja müsste) die Presse auseinandernehmen. Wo blieb da der Shitstorm der Guten? So ein Satz wird von der „Zivilgesellschaft“ akzeptiert?

Jetzt kommt ein Land, mit der Bevölkerungszahl wie Bielefeld, das seine Bankster inhaftiert, seinen Beitritt zur EU zurückzieht noch mit einer Mannschaft – die in der Summe weniger Geld kostet als ein einzelner Spieler bei den Qualitätsteams – ins Viertelfinale, zu dem haben sie noch eine landslið (und keine La Mannschaft) und da liegt doch die Häme förmlich in der Luft. Vielleicht waren die Empörten einfach zu dumm, um die Ironie, den Spott dieses Tweets zu verstehen? Die Presse tut noch das ihre, um noch Öl ins Feuer zu gießen:

Während sich wohl fast ganz (Fußball-) Europa auf das Viertelfinale bei der Fußball-EM zwischen Frankreich und den mutigen Isländern freute, nutzte die AfD-Chefin Frauke Petry den spieleigenen Hashtag #FRAISL bei Twitter für einen provozierenden Beitrag.

Erhellend war die Kommentierung nicht, eher war das Gegenteil der Fall. Das war keine Provokation, sondern Satire oder Häme. Man versuchte das so hinzustellen, als hätte Petry krampfhaft einen Zusammenhang mit dem Schäuble-Zitat gesucht („von Island selbst ist dort allerdings nie die Rede“) – klar Du Doof, es ging ja um Europa!

Fazit: Die Bevölkerung und die Medien arbeiten erfolgreich am Konzept der Dämonisierung. Die Opfer werden zu Tätern gemacht. Das Neusprech funktioniert. Danke Heidi für diesen FilmLink:

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27 Antworten zu Wenn Petry-Tweet auf Dumme trifft

  1. B'ina sagt:

    Twitter und Facebook sind einerseits grässlich, anderseits entlarvend und in wenigen Fällen erfrischend. So es beabsichtigt ist, jedenfalls beste Instrumente moderner Propaganda/Gehirnwäsche/Dämonisierung. Manchmal schaue ich mir die entsprechenden Seiten der etablierten Oberhetzer an und mir schaudert. Populismus pur („events“ ohne Ende, man ist eben überall bei den Bürgern, z.Zt. Fussball) und dieser anbiedernde, selbstgefällige Duktus. Mich wundert, dass das überhaupt bei jemandem ankommt. Heute bei dem Oberankläger Beck, dem destruktiven Stegner, dem eitlen Maas nachgeschaut: nur der Justizminister hat pflichtschuldig die Exzesse der „autonomen“ („Antifa“) in Berlin erwähnt.
    Auffallend ist, dass die Tweets der Petry und der von Storch relativ oft medial – natürlich negativ – ausgeschlachtet werden. Dabei finde ich darunter, soweit ich das mitbekomme, weitaus interessantere und pointiertere Meinungsäusserungen, als bei dem gesamten Geseiher der o.a. Twitterer zusammengenommen. Leider ist der Druck bisweilen so gross, dass Tweets gelöscht werden. Soweit zur Meinungsfreiheit in dieser unseren freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaft.

  2. Heidi Preiss sagt:

    Craig Harrison schreibt auf einer der Brexit-Seiten (kein Statement zum Brexit, dies was er schreibt, könnte auch ein Deutscher, Österreicher, Spanier usw., usf. geschrieben haben):

    Mein Leave ist im Kuvert.
    Du wunderst Dich weshalb?

    Ich bin es leid, mein Land sterben zu sehen.

    Ich bin es leid, fast gar nichts zu sagen zu haben, während unser Geld jeden Tag ausgegeben wird.

    Ich habe den Haufen satt, der uns nur ausraubt. Machen wir einen Fehler, werden wir gebüsst.

    Ich bin es leid, dass andere für uns Gesetze machen, unsere Länder zerstören mit deren EU-Krallen.

    Ich habe Merkel, Schäuble und Juncker satt. Ich habe die nie gewählt und Du auch nicht.

    Unsere Art und unsere Traditionen sind über Bord gegangen. Die Schleusentore wurden geöffnet und die Migranten-Zahlen steigen und steigen.

    Ich habe es satt, hin und her gestoßen zu werden von Pontius zu Pilatus.

    Ich habe es satt, vornehmlich nur zu geben. Unser Land wurde geplündert und im Geschäftlichen gefesselt. Stranguliert mit Bürokratie – wir sind schon fast tot.

    Aber Hoffnung stellt sich ein und folglich habe ich heute mein Briefkuvert zurückgesendet.

    Heute bin ich ausgestiegen!

    Dass, was Frau Petry sagt, wird ja immer ins Lächerliche gezogen. Drohendes Unheil = AfD.
    Nur, welches „Unheil“ uns regiert, darüber wird geschwiegen und vertuscht. Da steht ein Juncker vor dem EU-Parlament und spricht von Außerirdischen, die uns beobachten – hierüber kaum ein Ton; scheint wohl im Endstadium seiner Alkoholabhängigkeit zu sein. Und wie sieht es mit Schäuble aus? Diesen Unsinn, die der Gollum über Inzucht von sich gab, da muss man sich schon fragen, hängt der auch an der Flasche?

    https://www.youtube.com/watch?v=tJbD3MLdr5g

  3. Filer sagt:

    Der altemann hat in seinem wie immer schlüssigen Leitartikel den Vergleich mit Galileo gebracht- fand ich sehr gelungen! Und ob er (Galileo) nun die magischen Worte in seinen Bart gebrummelt hat oder es ihm später in den Mund gelegt wurde- eigenständig denkende Menschen wurden noch nie gemocht, eher gefürchtet oder bestraft .
    Und ob es nun Petry oder von Storch sind (Beispiel Nationalmannschaft vs. Mannschaft twitterte Letztere: „Ich nenne sie weiter Nationalmannschaft. Denn das ist sie, mit allen ihren Spielern. Unsere Nationalmannschaft. Und wenn Bild & Co das Bedauern über den politisch korrekten, weil entnationalisierten Namen als rassistische Hetze abtut, dann ist denen nicht mehr zu helfen.“)- die Meute der Pressehaie stürzt sich unvermittelt auf jedes Wort, jeder Satz wird analysiert. Egal, ob diese von systemkonformen Politikern ebenfalls bereits Tage vorher in den Raum geworfen wurden oder nicht.
    Auch der „Zeichentrick- Link“ beschäftigt sich ja damit- mit dem Verschwinden einer ganzen Nation . In dem kleinen animierten Film wird klar gemacht: In 80 Jahren wird vom friedlichen „Ureinwohner“/Indianer nicht mehr viel übrig sein, keine Chance gegen die aggressivere Übermacht, verteidigt mit der „Rassismus- Keule“. Und (verschleierte) Vertreter der angestrebten biologischen Vielfalt werden das Bild bestimmen. Es lässt sich nicht mehr aufhalten.
    Hasnain Kazim (Spiegel) twitterte: „Gewöhn dich dran, wir sind hier, werden immer mehr und beanspruchen Deutschland für uns. Ob du willst oder nicht!“ Natürlich als Provokation gemeint. Gegen Nazis. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, WEN er in der Nazi-Ecke verortet.

  4. Horst Kietzmann sagt:

    Wenn Schäuble sagt: wir können uns nicht gegen Afrika abschotten, dann vergisst er, dass er mitgeholfen hat, die Mauer der Abschottung, (nämlich Gaddafi 2011), mit einzureißen. (Offiziell haben wir uns da ‚rausgehalten, ich weiß).
    Wenn er sagt: „Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe“, ließe sich darüber diskutieren, wenn die Zahl der Migranten bei Null läge. Kurz- und mittelfristig haben wir das gegenteilige Problem.
    Wo er recht hat, (die USA sind eher eine Oligarchie, als eine Demokratie), hat er recht.

  5. Heli sagt:

    Eigentlich nicht verwunderlich. Die unterschiedlichen Maßstäbe kennen wir ja inzwischen. Stumpft aber immer mehr ab.

    Wäre Petry bei einer Unterabteilung der Einheitspartei ,würde man diese Frau als Star am Politikhimmel feiern, denn sie sieht nicht nur blendend aus, sie hat auch noch was in und nicht an der Birne.

    Ich habe was „an“ der Birne, denn sonst hätte ich unsere Tageszeitung, die der Stuttgarter in nichts nachsteht, schon längst gekündigt. Vielleicht habe ich auch nur zuviel Geld, denn Altpapier gibt es billiger.

    Dicke, nasse Zeitungspapierlagen taugen übrigens vorzüglich als Unkrautbremse unter Rindenmulch oder Kies.

    Danke für den Verschreiber: „Tweed“, denn ohne hätte ich den Begriff „Zwillichstoffart“ nicht kennengelernt. Jetzt muss ich nur noch lernen, was Zwillich bedeutet , damit diese Bildungslücke geschlossen werden kann.

    • Filer sagt:

      Schön, wieder von Dir zu hören, liebe Heli! Ja, Du weißt ja, hier im Blog lernt man nie aus.
      Da ich nicht so firm im Computerlatein bin, ist mir tweet oder tweed überhaupt nicht aufgefallen. Bei tweet muss ich immer an Tweety denken, den tapferen Gelbling. Sie zwitschern eben beide:-).
      Übrigens habe ich meine Tageszeitung bereits gekündigt- die Hofberichterstattung war nicht mehr zum Aushalten. Aber natürlich hast nichts an der „Birne“- das würde ich spätestens hier merken;-).

  6. Johannes Streck sagt:

    Das „Volk ohne Raum“, ursprünglich ein Roman von Hans Grimm, haben sich die Nationalsozialisten zum Begriff genommen. Als junger Mann habe ich Ende der vorigen sechziger Jahre das letzte noch zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Werk von Grimm „Warum – woher – aber wohin“ nach Lektüre kopfschüttelnd in die Abteilung „völkisch-spinnert“ in mein Regal zurückgestellt, und dabei ist es geblieben.

    Aber nun zu etwas fast komplett anderem, eine vorzügliche Handreichung zur aktuellen Nazi-Identifikation findet sich hier, denn „rrrechts“ war und bleibt bekanntlich die größte Bedrohung auch im 21. Jahrhundert: http://www.achgut.com/artikel/die_knoff-hoff-show_rechtspopulisten_ueberfuehren

  7. aristo sagt:

    Wissen ist heute nicht mehr wichtig. Leider. Sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit reicht als Grundqualifikation völlig aus, um es im Politikbetrieb bis ganz oben zu schaffen. In Bayern sagt man zu derartigen Figuren Dampfplauderer.

    Aber wie war das möglich? Nun, das liegt an unserem Verbildungssystem. Die Wähler wissen eben auch nichts mehr. Eine Trivialisierung und eine Emotionalisierung bis zur Hysterie von Themen ist das Geschäft der Meinungsbilder.

  8. Kai-Uwe Halmackenreuter sagt:

    Tweed ist was anderes als tweet.

  9. eudlinks sagt:

    Der schlechte Zeichentrickfilm in den NPD Studios produziert?

  10. Udo Brömme sagt:

    Ein wichtiger Aspekt, auf den das Video hinweist. Der Plan würde aber nicht funktionieren ohne als politische „Korrektheit“ getarnte Selbstzensur, die gleichzeitig mit der Vermischung des Volkes vorhanden sein muss. Wer gegen diese Verstößt, gilt als Aggressiv. Doch auch, wer nur ein bisschen gegen diese verstößt, ist bereits „mikro-aggressiv“, was offenbar inzwischen genauso schlimm ist.

    Das, was als „microaggression“ bezeichnet wird, ist im Grunde nichts anderes, als die Schwalbe eines Fußballspielers. Nur im echten Leben. Und permanent. Von jedem. Man fühlt sich immer „offended“, reißt die Arme hoch und hofft, dass der Schiedsrichter (die öffentliche Meinung) eingreift, um den gefühlten Missstand zu beseitigen.
    Schon im Kindergarten waren Petzen unbeliebt. Das hier ist noch weit schlimmer, da es eigentlich nichts zu petzen gibt.

    Wer des Englischen mächtig ist, sollte sich unbedingt das Forschungsergebnis zweier Soziologen, die das Phänomen untersucht haben, ansehen:
    http://righteousmind.com/where-microaggressions-really-come-from/
    Für alle eher Lesefaulen gibt es hier ein Video, in dem das Ganze ebenfalls erklärt wird (ebenfalls auf englisch):
    https://www.youtube.com/watch?v=10B9Fc8BmR0

  11. Hen Dabizi sagt:

    Es ist eben ein Unterschied, ob man „böse“ Ausländer öffentlich der Sodomie verdächtigt oder Äußerungen meines Lieblingsministers (Piepers: rollender Dummschwätzer), der zurzeit sogar vor vdL liegt, „ernst“ zu nehmen. Das eine ist Kunst im böhmermannschen Sinne, das andere erfordert Denkfähigkeit. Der Bevölkerung ist beides „Wurscht“. Die interessiert, wann ihr 15ter befristeter Arbeitsvertag ausläuft. Denn Kunst ist doch das, was keiner versteht, was aber sau teuer ist, und dass das, was die „schwarze Null“ verkündet, Schwachsinn ist, kann jeder aus dem „Pack“ täglich schmerzlich erfahren.
    Allerdings hält sich mein Mitleid für Frau Petry auch in engen Grenzen. Denkende Menschen meiden die „geistigen Pissrinnen“ des Internets. Bestenfalls stinkt es dort oder man erwischt einen „Schei…sturm“.

  12. Gerd Scholz sagt:

    Werter Altermann, die Verwendung des Wortes Tweed verstört, das ist eine Zwillichstoffart. Was Sie meinen ist sicher Tweet und kommt von zwitschern.

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